In der interaktiven Installation PASSING BY stellen wir uns die Frage, welche Verantwortung wir für unser Umfeld tragen und inwiefern wir bereit sind unsere eigenen Grenzen zu überschreiten. Hierbei werden die Benutzer|innen der Installation dazu ermutigt sich in soziale unangenehme Situation zu begeben. Das Thema von unangenehmen Situationen in der Öffentlichkeit ist sehr komplex und wird von vielen Faktoren beeinflusst. Ein Gefühl von Unwohlsein und Ängsten wird hierbei durch soziale Erwartungen hervorgerufen, und kann dazu führen, dass man in unklaren Situationen eine passive Rolle einnimmt. Eine soziale Erwartung kann beispielsweise sein, dass man sich in der Öffentlichkeit nicht zu laut oder allgemein unauffällig verhält, um andere Menschen nicht in Ihrem Alltag zu stören. Sollte jedoch eine Situation verlangen laut zu sein oder sich in irgendeiner Art und Weise bemerkbar zu machen, um beispielsweise jemandem zu helfen, steht diese soziale Erwartung im Konflikt mit der richtigen Handlungsweise, Verantwortung zu übernehmen und kann dazu führen, dass wir uns passiv verhalten. In öffentlichen Räumen kommt der Aspekt des Zuschauereffekts hinzu. Dabei handelt es sich um ein Phänomen, dass Augenzeugen mit nachlassender Wahrscheinlichkeit in einen Konflikt eingreifen, je mehr Zuschauer|innen, oder auch Bystander genannt, anwesend sind oder hinzukommen. Latané und Darley entwickelten ein Entscheidungsmodell für das Hilfsverhalten, welches die Gründe für das Nicht-Handeln der Bystander verdeutlicht. Hierbei durchlaufen die Bystander, fünf Stufen, die jeweils mehrere soziale und physische Hindernisse mit sich führen, die die Bystander davon abhalten zu handeln. Dieses Modell umfasst die Stufen: 1. Situation wahrnehmen, 2. Situation interpretieren, 3. Verantwortung übernehmen, 4. Entscheidung treffen, wie zu helfen ist und 5. Hilfe durchführen. In einer inszenierten Situation werden die Benutzer|innen in unserer Installation vor die Entscheidungen gestellt, ob sie Verantwortung übernehmen und Hilfe durchführen wollen. In unserem Feinkonzept ist der|die Betrachter|in deswegen nicht selber gefangen, sondern ein Wesen, welches es zu befreien gilt.
Dabei war es uns auch von Anfang an wichtig, dass man das Gefühl hat, mit einem realem lebenden Wesen zu interagieren. Dafür haben wir zum Anfang der Installation eine „Annäherungsphase“ zwischen dem|der Betrachter|in und dem Wesen eingebaut. Hierbei betritt sowohl der|die User|in und das Wesen gleichzeitig den Raum. Danach reagiert das Wesen auf die Person im Raum und verfolgt die Position der Person mit dem Kopf, wie auch mit dem Körper. Dabei haben wir mit zeitlichen zufälligen Verzögerung der Bewegung des Wesens gearbeitet, um das Wesen lebendig wirken zu lassen.
In der Anwendung haben wir uns für zwei Arten der Hilfeleistung entschieden, welche den|die User|innen gleichzeitig in eine soziale und physische unangenehme Situation bringe.
1.
Während der Annäherungsphase kommt es zu einem „Unfall“ bei dem sich das Wesen in den am Boden liegenden Schnipseln verheddert und nun auf die Hilfe der Person angewiesen ist.
Der|die Benutzer|in muss sich in eine sehr gebückte Haltung und einer kriechenden Art und Weise dem Wesen annähern, um das Wesen aus einem Schnipselhaufen zu befreien. Durch unterschiedliche Animationen und Geräusche wird dem|der Betrachte|in ein Feedback gegeben, welche Bewegungen dem Wesen zur Befreiung dienen.
2.
Die zweite unangenehme Situation besteht darin, dem Wesen, nach der Befreiung aus den Schnipseln, ein Portal mithilfe von Lautstärke zu öffnen. Der|die User|in ist aufgefordert, laut zu sein. Je länger die Person laut ist, desto größer wird das Portal, durch welches das Wesen zum Schluss befreit werden kann.
KONZEPTUELLER AUFBAU
Der Installationsaufbau orientiert sich an einer Situation im öffentlichen Raum und ist gleichzeitig darauf ausgelegt, eine immersive Erfahrung während des Benutzens der Anwendung zu haben. Bei der Gestaltung haben wir uns daher an den Punkten orientiert, die wir bei Recherche des Zuschauereffektes herausgearbeitet haben. Dabei handelt es sich um das Gefühl, alleine zu sein und beobachtet zu werden, nachdem man, wie in der dritten Stufe des Zuschauereffektes, die Verantwortung für jemanden übernommen hat. Während man jetzt die eigenen physischen und sozialen Grenzen überschreitet, soll es den anderen „passiven“ Besucher| innen(Bystandern) im Raum auch möglich sein, die aktive Person zu beobachten. Wir haben uns dazu entschieden eine transparente runde Projektionsfläche zu benutzen, da die Rundung für eine größere Immersion sorgt und die transparente Projektionsfläche ein Teil des Lichtes hindurchscheinen lässt. Da die Projektionsfläche von der Rückseite beleuchtet wird, wird auch der| die Benutzer|in von dem Beamer als einzige Person angeleuchtet. Dadurch steht die „aktive“ Person noch mehr im Vordergrund und der Aspekt des Alleinseins wird verstärkt.
Die minimale technische Ausstattung für die Installation besteht aus:
– Computer
– Orbbec3D Astra Pro
– Beamer
– Projektionsfläche
– Lautsprächer
UMSETZUNG DER ANWENDUNG IN UNITY
Wir entschieden uns die Anwendung in Unity umzusetzen, da wir hier die Möglichkeit haben die Daten der Orbbec3D Astra Pro abzugreifen. Durch die mit der Kamera gelieferten Scripte, werden die erfassten Datenpunkte im Raum ausgewertet. Diese Punkte entstehen an mehreren Stellen am Körper, wie beispielsweise am Kopf, Hals, den Schulter, Ellbogen und Händen Punkte. Diese können können dann in die 3D-Szene in Unity übernommen werden. Durch zusätzliche Scripte, haben wir den Punkt für die Kopfposition abgegriffen, um die Position und Haltung des|- der Benutzers|in zu erfassen.
Lara Hübelt, Jannis Scheerbarth